Kleines Dorf ganz groß – Neunkirchen feierte ein Kirschenfest der Superlative
Die tollen Tage finden in Neunkirchen nicht im Karneval statt, sondern im Sommer. Genauer gesagt, beim Kirschenfest, das normalerweise alle zwei Jahre stattfindet. Nach zweijähriger Coronapause war es nun endlich wieder so weit: Am letzten Juni-Wochenende bot das Dorf zum 70-jährigen Kirschenfest-Jubiläum und 725-jährigen Bestehen des Dorfs wieder alle Kräfte auf, um sich selbst und seinen Gästen ein schönes, freudiges, erstaunliches und unbedingt besuchenswertes Kirschenfest zu bieten.
Musik am Freitag
Los gings am Freitagabend mit der Band „Recharged“ aus dem „Kleinen Odenwald“, die mit Rock, Popsongs und gefühlvollen Balladen für jeden Geschmack etwas zu Gehör brachte. Die Band kam bei den mehr als 500 Festzeltbesuchern gut an, somit war der Auftakt schon einmal gelungen.
Krönung der Kirschhoheiten
Am Samstagabend war dann ein weiterer Höhepunkt im Programm dran: Die 2019er Kirschhoheiten übergaben ihre Kronen an die nächste Generation. „Uns fällt´s net leicht, unser Amt hier abzugewe, aber wir habbe ganz wundervolle Nachfolgerinne gefunne“, verabschiedete sich die Kirschenkönigin Simone Weinreich mit ihren Kirschenprinzessinnen Jule Lux und Vanessa Poranzl in schönstem Neunkirchener Dialekt.
Bürgermeister Bernhard Knörzer bedankte sich bei den Regentinnen und begrüßte Eileen Drebes („dem Emigs Ruben sei Enkele“), Janina Graßl („Der Pfarrsekretärin vum evangelische Pfarrer ihr Dochter“) und Nicole Weinreich („dem Vogte Hermann sei jüngst Enkele“) als neue Generation von Kirschhoheiten. „Liebes Kerschevolk, lasst uns fröhlich zusammen sein. Esst alles leer, wir nehme nix mit heim!“, reimte die Kirschenkönigin Eileen Drebes. Umrahmt wurde der Festakt mit zwei stimmungsvollen Liedern des Neunkirchener Gemeinschaftschors unter der Leitung von Bernadette Karl.
Der Spielmannszug Lohrbach eröffnete die Feier mit seiner unwiderstehlich in die Beine fahrenden, rhythmischen (und ausreichend lauten!) Musik und geleitete die Hoheiten nebst allen Zuschauern und Gästen zum Festzelt, wo die Partyband „Die Mückenlocher“ für Stimmung sorgte.
Spätestens ab jetzt war das Festzelt die Heimat des Kirschenfestes. Hier spielte die Musik, hier gab es Schnitzel, Braten, Wurst und Grünkernküchle zu essen und natürlich auch genug zu trinken. Kein Wunder, dass Besucher aus der ganzen Region immer wieder gern zum Kirschenfest kommen, denn hier wird noch eine echte Tradition hochgehalten und stets neu inszeniert.
Der Kirschenfest-Sonntag
Und dann der Haupt-Kirschenfest-Tag, der Sonntag: Um acht Uhr, pünktlich zum Weckruf der Kirschhoheiten, donnerte die Kanone vor dem Bürgersaal so laut, dass sämtliche Hunde und Katzen in der Nachbarschaft vor Schreck unters Sofa krochen. Beim obligatorischen Besuch der Kirschhoheiten im Seniorenheim kullerte sogar die eine oder andere Träne: „Ich war auch emal Kerscheprinzessin“, bekannte eine der alten Damen. Dies beeindruckte wiederum die jungen Kirschhoheiten, dass sie in einer so langen Reihe von Frauen stehen, die durch das Amt der Kirschenkönigin oder -prinzessin geehrt wurden und werden.
Nach dem ökumenischen Kirschenfest-Gottesdienst in der St. Bartholomäuskirche machte sich das Dorf bereit für den Höhepunkt der Feierlichkeiten, den Kirschenfestumzug.
Punkt 14 Uhr machte sich der 22 Zugnummern umfassende Feierwurm auf und präsentierte auf seinem Weg durchs Dorf geschichtliche und aktuelle Geschehnisse. Sogar die Kindergartenkinder waren als Ritter(-fräulein) und „Bauern und Mägde aus früherer Zeit“ schon mit dabei, ebenso die Turnkinder des SVN, die THW-Jugend („Wir kleben nicht – wir packen es an!“) und natürlich die Kirschenhoheiten in der liebevoll geschmückten Kutsche. Der Gesangverein „Rauhe Kehlen“ hatte sich als Gallierdorf verkleidet, was Bürgermeister Bernhard Knörzer, der den Umzug auf der Rathaustreppe stehend kommentierte, dazu veranlasste, eine Toga anzuziehen und einen Lorbeerkranz zu tragen.
Die Grundschule präsentierte mit verschiedenen Gruppen das Thema „Schule im Wandel der Zeit“. Den Vogel schoss der Kegelclub „Hau wech“ ab: Die Mitglieder präsentierten auf ihrem Wagen eine „Kirschwasser-Wärmepumpe“. Auch die Kerweborscht waren mit einer Riesenkirsche unterwegs. „Mit Neikercher Kirsche statt Spinat ist der Aufstieg halb so hart“, reimte der gerade in die Kreisklasse aufgestiegene SV Neunkirchen und verteilte roten Rauch über dem staunenden Publikum am Straßenrand. Da war vielen doch der Wagen vom Gewerbeverein mit der Aufschrift „Eiswerk“ lieber, denn die Handwerker verteilten Eis am Stiel. Trotz großer Hitze war der Umzug dank der guten Ideen und der tollen Stimmung ein voller Erfolg.
Nach dem Prolog der Kirschhoheiten am Nachmittag traf sich die feiernde Gemeinschaft zum Dorfabend mit Wetteinsatz wieder im Festzelt. Wer würde die Aufgaben wohl besser bewältigen, das galt es vorab einzuschätzen. Kindergartenkinder und das Team Pfarrer Dorbath wurden losgeschickt, bestimmte Gegenstände zusammenzutragen, wobei die Kinder schneller waren. Die SVN Herren trafen die Torwand besser als die Jugendmannschaft; der Heimat- und Museumsverein beantwortete die Fragen über Neunkirchen schneller als der Gemeinderat. Die Jugendfeuerwehr füllte ihren Feuerwehrschlauch und das bereitgestallte Fass 16 cm hoch und damit knapp höher als die Erwachsenenmannschaft mit 15,9 cm.
Frauen und Männer wurden beim Personenraten als gleich gut bewertet, während die Kerweborscht besser Limbo unter der Stange hindurchtanzten als das Team Kirschhoheiten. Wobei die Frage gestellt werden muss, ob mit Kirschwasser gedopt wurde …
Es waren wunderschöne Tage und ein großartiges Fest. Bürgermeister Knörzer bedankte sich bei allen Aktiven und schenkte den besonders engagierten Kirschenfest-Organisatoren einen Neunkirchen-Schirm. Auch die Witwe des kürzlich verstorbenen Adam Frey wurde auf die Bühne geholt, denn der unermüdliche Organisator und Bewahrer der Neunkirchener Tradition hatte wirklich einen riesengroßen Anteil daran, dass die 70-jährige Kirschenfesttradition heute noch besteht.
Und so ist nach dem Tanzabend im Zelt und dem gemeinsamen Mittagessen am Montag der Höhepunkt im Neunkirchener Jahreskalender schon wieder vorbei. Ein Fest, an dem viele Neunkirchenerinnen und Neunkirchener Anteil haben, das gemeinsam gestemmt und gefeiert wurde. Ganz selbstverständlich tat auch das Rathaus Dienst: Der Hauptamtsleiter Ralf Lenz sorgte als Feuerwehrkommandant für die Sicherheit, die Rechnungsamtsleiterin Judith Kuhn stand zur Essensausgabe hinter der Theke, der Bürgermeister Bernhard Knörzer kümmerte sich um die reibungslose Organisation und Moderation. Auch alle weiteren Mitarbeiter/innen waren mit der Organisation beschäftigt bzw. als Helfer in allen Lagen unterwegs. Das ist nicht überall selbstverständlich.
Das Kirschenfest ist vorbei und alle freuen sich auf 2025, wenn es hoffentlich wieder viel zu feiern gibt!
Der Kirschhoheiten
Der Traum vieler Mädchen – einmal Kirschhoheit zu sein.
Die Kirschhoheiten 2023 mit dem zukünftigen Nachwuchs.
Eileen Drebes ist 18 Jahre jung, geht ins Gymnasium und möchte Lehrerin werden. „Wir hoffen auf interessante zwei Jahre, ein gutes Zusammensein und prima Kirschenernten! Als Neunkirchenerinnen sind wir stolz, eine 70-jährige Tradition weiterzuführen und hoffen, dass das Kirschenfest auch noch in 20 Jahren gefeiert wird.“
Janina Graßl ist 21 Jahre alt und arbeitsmedizinische Assistentin. „Die Kutschfahrt war wirklich ein wunderschönes Erlebnis. Ich freue mich auf das
Hoheitentreffen auf der Bundesgartenschau und bin gespannt auf welchen weiteren Veranstaltungen wir die Gemeinde Neunkirchen noch repräsentieren dürfen.“
Nicole Weinreich ist 20 Jahre alt und in der Ausbildung zur Finanzassistentin. „Mein Großvater war Bürgermeister hier und beide Schwestern waren schon Kirschhoheiten. Es ist ein anstrengendes Ehrenamt, aber ein tolles Gefühl. Das erzählt man noch seinen Enkeln!“