Bürgerwärme und Bürgerstrom in Neunkirchen
Gemeinderat beriet über Maßnahmen zur Energiewende

Die Anzahl der Besucher zeigte das große Interesse an den Themen der Gemeinderatssitzung: Nicht nur die Zukunft der Energieversorgung, auch die Straßenbauplanung im Baugebiet Hummelwiese, die Wahl der Schöffen, die unechte Teilortswahl und der Umbau des Waldkindergartens standen auf der März-Tagesordnung.

Nahwärme und Photovoltaik

In den vergangenen Monaten hat sich gezeigt, dass die Nahwärmeerzeugung aus Waldrestholz und v.a. mittels Solarthermie (Warmwasser aus Sonnenenergie) deutlich teurer, als ursprünglich kalkuliert, wird. Dies liegt unter Anderem an den Kriegshandlungen in der Ukraine und an den galoppierenden Preisen für Baumaterial. Um das Projekt Nahwärme für Neunkirchen auf eine sichere Basis zu stellen, setzt Neunkirchens Verwaltung daher auf einen neuen Plan: Die Nahwärmeerzeugung aus Biomasse soll mit einer Photovoltaikanlage zur Stromerzeugung anstatt einer Solarthermieanlage kombiniert werden.

„Die Kostensteigerung der vergangenen Monate macht den Bau und Betrieb einer Solarthermieanlage unwirtschaftlich“, führte Bürgermeister Bernhard Knörzer zu Beginn der Gemeinderatssitzung aus. „Gleichzeitig müssen wir massiv gegensteuern, um das 1,5 Grad-Klimaziel überhaupt noch einhalten zu können. Es ist nicht fünf vor zwölf, sondern eins vor zwölf!“

Verschiedene Experten erläuterten in der Gemeinderatssitzung die neuen Pläne. Thomas Sohns, Projektentwickler beim Solarpark-Unternehmen Wircon GmbH Mannheim, erklärte das „Projekt Neurott“: Auf einer Fläche von 8,5 bis 10 Hektar in unmittelbarer Nähe zur geplanten Heizzentrale möchte das Unternehmen in Neunkirchen zusätzlich zur ohnehin geplanten kleineren eine zweite, große Photovoltaikanlage mit 9,687 Megawatt Leistung einrichten. Der Strom betreibt eine Wärmepumpe, die wiederum Warmwasser erzeugt. Dieses erwärmt über das Nahwärmenetz die angeschlossenen Gebäude. Die Leistung ist so ausgelegt, dass die Wärmepumpe zusammen mit dem geplanten Holzheizkessel über den Herbst und Winter hinweg Neunkirchen mit Nahwärme versorgen kann. Von Mai bis Oktober könnte somit ausschließlich eine Warmwassergewinnung mittles Wärmepumpe angedacht werden.

Die Solarmodule der Freiflächenanlage sollen aufgeständert werden und durch ihre Höhe (1,20 Meter an der Unterkante, 3,50 Meter Oberkante) eine Beweidung mit Schafen oder eine mechanische Pflege der Fläche erleichtern. Die landwirtschaftlich genutzte Fläche, die der Gemeinde gehört, würde von der Wircon GmbH gepachtet. Nach der Wirtschaftlichkeitsberechnung sind durch Pacht, Kommunalabgabe und Dividende in den 30 Jahren bis zur Abschreibung zwischen acht und 14,5 Mio. Euro zu erwirtschaften. Geld, das der Gemeinde und damit direkt oder indirekt allen Bürgerinnen und Bürgern zu Gute kommen könnte.

Die Kosten für die Anlage belaufen sich nach Wircon-Rechnung auf 7,749 Mio. Euro, gut 5 Mio. Euro davon sind Fremdkapital. Von der Projektierung über den Bau der Anlage durch eine Projektgesellschaft bis zur Inbetriebnahme besteht für die Gemeinde kein finanzielles Risiko. Danach bietet die Wircon der Gemeinde bzw. den Bürgern bis zu 49 Prozent der Anteile an der Anlage an. 51 Prozent bleiben bei der Wircon – plus die Anteile, für die sich kein Käufer findet.

Finanzierung der Photovoltaik

Die Finanzierung der Anlage könnte durch ein genossenschaftliches Modell verwirklicht werden. Bürgermeister Knörzer hatte zu diesem Punkt Florian Oeß von der Bürgerenergiegenossenschaft (BEG) Kraichgau eingeladen. Die BEG hat schon Projekte wie das Bürgerladenetz Wiesloch und die Bürger-PV Bad Rappenau umgesetzt. Außerdem planen die Kraichgauer den Bürgerwindpark Lammerskopf bei Heidelberg. Die genossenschaftliche Zusammenarbeit funktioniert so: Die Mitglieder der BEG halten einen oder mehrere 100-Euro-Anteile an den Energieprojekten, haben Anrecht auf eine Dividende von etwa drei Prozent sowie Stimmrecht, Antrags-, Einsicht- und Wahlrecht. Neunkirchener Bürgerinnen und Bürger könnten sich an der BEG beteiligen und damit die Energiewende vorantreiben. Interessant sind auch die Dividende und Verzinsung sowie die Aussicht auf einen möglichen vergünstigten Bürgerökostromtarif.

Für die genossenschaftlich getragene Finanzierung gibt es einen weiteren Grund: „Wir als Gemeindeverwaltung können keine Energiehandelsgesellschaft führen, die Mehrerträge bei sonnigem Wetter vermarktet und Mindererträge ausgleicht“, erklärte Bernhard Knörzer. „Außerdem liegt das Geld für die 49 Prozent Anteile auch nicht einfach in der Gemeindekasse. Da ist es besser, wenn Neunkirchener Bürgerinnen und Bürger als BEG-Mitglieder oder in Form von Nachrangdarlehen Anteile an der PV-Anlage kaufen.“

Nach lebhafter Diskussion und vielen Fragen der Gemeinderäte und Besucher stimmte der Gemeinderat einstimmig ohne Enthaltungen zu, weitergehende Beschlussfassungen zur Verwirklichung des PV-Projektes auf den Weg zu bringen.

Straßenplanung Hummelwiese

Großes Interesse zeigten die Besucher auch für den zweiten Tagesordnungspunkt, der Straßenplanung im Bereich Baugebiet Hummelwiese. Vor allem der Bereich der hinteren Pattbergstraße von der Einmündung Reichweinstraße bis zum Spielplatz Hummelwiese steht im Mittelpunkt der Überlegungen. Zum einen ist dieses Straßenstück mit 4,40 Meter Breite zu schmal für „berührungsfreien Gegenverkehr“, wie es im Amtsdeutsch heißt. Deshalb weichen viele Autofahrer auf den Gehweg neben der Straße aus. Mit Bushaltestelle, Zuwegung zum Seniorenwohnpark und Anliegerverkehr müssen hier aber Krankenfahrzeuge, Bauverkehr, Feuerwehr und nicht zuletzt der Bus durch dieses Nadelöhr. Dennoch haben einige Anwohner schon darum gebeten, die Straße nicht zu verbreitern: Sie soll nicht als „Rennstrecke“ missbraucht werden – zum Nachteil der Kinder, die den Spielplatz sicher betreten und verlassen sollen.

Oliver Schnese vom Ingenieurbüro Martin-Schnese in Reichartshausen erläuterte den Planungsstand: Laut Richtlinien für Erschließungsstraßen soll die Pattbergstraße auf mindestens 5,55 Meter verbreitert werden. Die kleine Grüninsel gegenüber der Reichweinstraße soll jedoch als verkehrsberuhigende Maßnahme erhalten werden. Zusätzlich wurden schon Markierungen auf der Straße angebracht, um den Verkehr abzubremsen. Gleichzeitig soll die Bushaltestelle barrierefrei ertüchtigt werden, um Menschen mit Seh- oder Gehbehinderung ein sicheres Ein- und Aussteigen zu ermöglichen. Am Spielplatz Hummelwiese soll ein doppeltes Drängelgitter verhindern, dass Kinder auf die Straße rennen. Nach ausführlicher Diskussion stimmte der Gemeinderat mit acht Ja- und zwei Neinstimmen der Planung zu.

Schöffenliste

Die Gemeinde muss zur Wahl für die Jahre 2024 bis 2028 eine Schöffen-Vorschlagsliste erstellen. Der Gemeinderat wählte zwei der Interessenten auf diese Liste, die dem Schöffenwahlausschuss beim Amtsgericht Mosbach vorgelegt wird. Weitere sieben Interessenten werden als Anwärter zum Jugendschöffen bzw. für die Vorschlagsliste des Jugendhilfeausschusses benannt.

Unechte Teilortswahl

Der Gemeinderat beriet danach über die Regularien der unechten Teilortswahl. Neunkirchen hat 1.701 Einwohner und neun Sitze im Gemeinderat, der Gemeindeteil Neckarkatzenbach ist mit einem Sitz bei nur 137 Einwohnern eigentlich überrepräsentiert. Die Alternative wäre eine Erhöhung auf elf Sitze. Der Gemeinderat sprach sich einstimmig dafür aus, die Anzahl der Sitze bei zehn zu belassen, von denen einer auf Neckarkatzenbach entfällt.

Waldkindergarten und Jugendraum

Der Gemeinderat erteilte einstimmig sein Einvernehmen zur Errichtung eines Waldkindergartens. Dazu wird die Saatschulhütte im Bereich Kriegwald umgebaut und mit einem Anbau in Holzständerbauweise versehen. So entsteht auch ein überdachter Freisitz für heiße und regnerische Tage. Der Umnutzung eines Speicherraums zum zweiten Jugendraum im evangelischen Gemeindehaus wurde ebenfalls zugestimmt.

Aktuelle Informationen des Bürgermeisters

  • Der Rücklauf der neuen Nahwärmeverträge gestaltet sich positiv, wenn auch noch nicht alle 220 Interessenten den neuen Vertrag unterschrieben haben.
  • Vielen Dank für die gute Resonanz zum Festakt anlässlich des 725-Jahre-Jubiläums von Neunkirchen. Es war ein gelungener Abend mit einer guten Mischung aus Historie, Grußworten und einer tollen musikalischen Umrahmung.
  • Im Baugebiet Neckarkatzenbach werden derzeit Telefon- und Glasfaserleitungen gelegt. Danach beginnt der Straßenbau, sodass für den Mai/ Juni mit einer Fertigstellung zu rechnen ist.